Der Kampf um Usedom

eine OWB/UWB Geländebesprechung

Geländebesprechungen sind seit jeher ein wesentlicher Bestandteil taktischer Ausbildung, um operative Maßnahmen und Abläufe vor Ort zu prüfen und zu bewerten, sie von der Theorie in die Praxis zu übertragen.
Militärhistorische Geländebesprechungen hingegen dienen dazu, taktische Abläufe im Gelände nachzuvollziehen, sich ein Bild zu machen vom Gelände, von der Besonderheiten und Herausforderungen des „Tatorts“ für taktisches Handeln – und Lehren daraus abzuleiten. Sie ermöglichen aber auch, eine Ahnung von den Herausforderungen und die Leistungen, der Opferbereitschaft, der Verzweiflung, dem Mut und der Tapferkeit der Truppe zu bekommenen, die hier gekämpft hat.

o. v.l.n.r: H Adrian, OSG Jaegger, H Kakuschky, OTL Treuschel, OTL Fetzer, OSF König, SF Buchhorn, SF Scholz, OL Linke u. v.l.n.r: OF Kröger, SU Bründel, F Poswistak, HF Kokott

Während des Übungsplatzaufenthaltes „Haffschild 2021“ in Jägerbrück führten wir am 22. und 23. Juni unter der Führung von Oberstlt Treuschel eine militärhistorische Geländebegehung zum Thema „Der Kampf um Usedom 1945“ durch.
Erster Besprechungspunkt der Weiterbildung war die Ortschaft Gartz an der Oder, ca. 10000 S von Stettin. Dieser Ort wurde bewusst gewählt, da man von hier einen hervorragenden Überblick über das gesamte Oderufer hatte.

Im April 1945 begann der Angriff der Roten Armee auf die Oder, um hier Übergänge zu erzwingen und Brückenköpfe zu bilden. Dies sollte jedoch von der Wehrmacht aus tief gestaffelten Stellungssystemen nahe dem Oderufer unbedingt verhindert werden. Aufgrund der gewaltigen Übermacht des Angreifers war ein Aufhalten zwar nicht möglich, allerdings sollte der Aufbau von Brückenköpfen zumindest so lange wie möglich verzögert werden, um möglichst viele Flüchtlinge noch evakuieren zu können. Es war sehr eindrucksvoll, von dieser erhöhten Position zu erkennen, wie wichtig es ist, das Gelände für sinnvolle Stellungssysteme auszunutzen und welche Herausforderungen hier an den Verteidiger gestellt wurden.

 

 

 

Nach eingehender Erkundung des Oderufers marschierten die Teilnehmer anschließend nach Löcknitz. Der Ort liegt am Flüsschen Randow. Auch hier wurde eine Verteidigungslinie der Wehrmacht errichtet, da es sich um günstiges Gelände zur Verteidigung handelt. Das hügelige sowie waldreiche und teils sumpfige Gelände hat es Fahrzeugen schwer gemacht, zügig Raum zu gewinnen sowie effektiv wirken zu können. Der Fluss Randow hat als natürliches Hindernis ein schnelles Vorstoßen des Feindes deutlich erschwert.

Als letzte Station für den Tag marschierten die Teilnehmer nach Pasewalk. Hier war das letzte natürliche Hindernis für die Rote Armee: Die Uecker. Jedoch war die Rote Armee zahlenmäßig so sehr überlegen, dass auch Pasewalk rasch durchstoßen und die 3. Panzerarmee von General von Manteuffel an dieser Stelle gesplittet wurde – eine Katastrophe für die große Zahl an Flüchtenden aus den bereits verlorenen Ostgebieten, die die wenigen Straßen mit Mensch und Vieh, mit Handkarren und Pferdegespannen verstopften und das operative Handeln zusätzlich erschwerte. Es wurde zusammenfassend aufgezeigt, wie wichtig die Beurteilung der Geofaktoren, aber auch der
zivilen Lage ist – bedeutsame Einflussfaktoren auf die Planung und Führung.
Der zweite Tag der Weiterbildung startete bei Gellendin, unweit von Anklam. Nach einer Geländeorientierung wurde dort den Teilnehmern vermittelt, worauf es einerseits bei der Verteidigung von Brückenköpfen ankommt und wie man andererseits den Aufbau von Brückenköpfen möglichst lange verzögert.
Anschließend verlegten die Teilnehmer nach Anklam, genauer gesagt an die Peene welche durch Anklam von W nach O fließt. Um ein schnelles vordringen der Roten Armee nach Norden zu verhindern, hatte der Verteidiger die Peene-Übergänge gesprengt. Dies hat den Teilnehmern eindrucksvoll gezeigt, dass man mit wenigen Mitteln an strategisch entscheidenden Punkten sehr viel bewirken kann. So wurde die Rote Armee schließlich gezwungen, zeitaufwändig Pontonbrücken heranzuführen um die Peene zu überwinden.

Eine weitere wichtige Station an der Peene war die Eisenbahnbrücke bei Karmin. Es war strategisch wichtig, einen Übersetzversuch der Roten Armee an dieser Stelle unbedingt zu verhindern. Um das zu realisieren, wurde zum einen die Eisenbahnbrücke gesprengt und zum anderen Schiffsartillerie zur Unterstützung eingesetzt. Für uns wurde hier insbesondere auf die Aufgeben und Einsatzgrundsätze von Sprengsicherungskommandos und auf die Bedeutung des Gefechts der verbundenen Waffen eingegangen.
Zum letzten Gelände- /Besprechungspunkt verlegten die Teilnehmer nach Zempin in den Raum der Zempinstellung. Dort konnten durch den erbitterten Widerstand der Verteidiger etwa  30-40.000 Menschen in einer großen Operation evakuiert werden.  Die wenigen Kräfte haben die Stellung nur deshalb so lange halten können, weil die Rote Armee in der Zempinenge kanalisiert wurde und sie ihre Kräfte nicht voll entfalten konnte. Auch hier war es sehr eindrucksvoll zu sehen, wie wesentlich die sorgfältige Erkundung und geschickte Nutzung des Geländes für eine effiziente Verteidigung ist.

Die schweren Gefechte haben zu großen Verlusten auf beiden Seiten geführt. Zahlreiche Kriegsgräberstätten sind in der Region zu finden. Wir besuchten zum Abschluss der Weiterbildung den Naturpark Usedom und die Kriegsgräberstätte „Golm“ bei der Ortschaft Kaminke. Sie wurde unter anderem auch zum Gedenken an die Opfer der schweren Bombardierung Swinemündes errichtet. Am 12.03.1945 erfolge auf Forderung der Führung der Roten Armee ein amerikanischer Bombenangriff mit 671 schweren Bombern und über 400 Begleitjägern auf die Stadt Swinemünde. 1600to Bomben fielen auf die mit Flüchtlingen völlig überfüllte Stadt. Neben mehreren Schiffen, die im Hafen sanken, starben nach neuen Erkenntnissen mindestens 4500 Menschen, meist Flüchtlinge, bei diesem Angriff.
Nach der Erkundung der Kriegsgräberstätte und mit abschließenden Worten von Oberstlt Treuschel sowie dem stv. Kdr, Oberstlt Fetzer, wurde die Weiterbildung beendet. Für die Teilnehmer waren die beiden sehr interessanten und eindrucksvollen Tage eine tolle Möglichkeit, sich neben der laufenden Übung des Bataillons militärhistorisch weiterzubilden. Vielen Dank dafür.

FW Poswistak