Die etwas „andere“ Ausbildungswoche

Ein Stück in drei Akten

Nach 2015 war das Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ in diesem Jahr wieder Gastgeber der Ausbildungswoche der Heeresaufklärungstruppe der Bundeswehr. Gedacht als große zentrale Ausbildungswoche der Truppengattung mit Ausbildung, Übung und großem Rahmenprogramm soll sie dem Erfahrungsaustausch, der Standardisierung und der Weiterentwicklung dienen- doch unter Corona ist ja bekanntlich alles anders.

Mit den Vorhaben „Holstein-Ritt I“ und „Holstein-Ritt II“ wurde die Spähaufklärungswoche sorgfältig erkundet und intensiv vorbereitet. Corona-bedingt nahmen nur die Aufklärungsbataillone der 1. Panzerdivision teil, verstärkt durch die Kampftruppe aus der PzGrenBrig 41. Geübt wurde im freien Gelände in den Kreisen Ostholstein, Plön und Bad Segeberg und auf dem TrÜbPlatz Putlos. Klein aber fein. Es hat sich gelohnt.
Hier der Bericht des Bataillons „von Sechs“: Tief in Feindesland.

Spähaufklärungswoche „Tief in Feindesland“

„Wir klären dem eigenen Gegenangriff voraus auf! Der Auftrag ist dabei ein Wettlauf gegen die Zeit, verstanden?“ die Soldaten des Spähtrupps nicken ihrem Spähtruppführer zu. Als Aufklärer sind sie es gewohnt, zeitkritische Operationen durchzuführen. So auch in der Ausbildungswoche im März 2021.

Vorausgegangen ist ein planerischer Akt, die traditionelle Ausbildungswoche der Heeresaufklärungstruppe – welche jährlich im Wechsel von den Aufklärungsverbänden der Bundeswehr ausgerichtet wird – trotz der Pandemie durchzuführen. Am Ende stand die Spähaufklärungswoche der 1. Panzerdivision, an der zwar nicht alle Aufklärungsbataillone, wohl jedoch die aus Eutin, Ahlen und Lüneburg teilnahmen und die durch Panzergrenadiere aus Hagenow sowie Jäger aus Torgelow unterstützt wurden.
Dabei wurde ein umfangreiches Hygienekonzept umgesetzt, um diese wichtige Ausbildung auch in der Pandemie umsetzen zu können. Nach ihrer Anreise in Putlos werden zunächst alle Übungsteilnehmer auf eine Coronaerkrankung getestet. Anschließend verbleiben sie in ihren Primärkontaktgruppen, sogenannten Kohorten. Nachdem die Teilnehmer angereist und eingeschleust sind, geht es mit der Befehlsausgabe durch den Gastgeber, das Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ weiter.

Von der Theorie zur Praxis

In der Vorwoche beübt sich das Bataillon im Rahmen der Übung „Holstein Ritt II“ die „Generalprobe für die scharfe Ausbildungswoche gelang. Die Ausbildungsabschnitte und freilaufenden Anteile werden durch die Spähtrupps „von Sechs“ umgesetzt, letzte Mängel werden abgestellt. Am Dienstagmorgen der Folgewoche beginnt dann die tatsächliche Ausbildung. Schwerpunkt der diesjährigen Ausbildungswoche ist das Durchsetzen von Spähaufklärung in einem hochintensiven Gefechtsszenario. Da diese einstmalige Kernfähigkeit der Aufklärer aufgrund der Stabilisierungseinsätze der vergangenen Jahre an Bedeutung verloren hat, wird zunächst theoretisch und dann praktisch geübt, bevor es in der „scharfen“, also freilaufenden Übung darum geht, das neu Erlernte anzuwenden. Während die Aufklärer früher selbst über schwere Waffensysteme verfügten, sind sie heute leicht und mobil aufgestellt. In einem konventionellen Konflikt, mit einer starken feindlichen Sicherung, kann es daher sein, dass sie für ihren Auftrag, das Gewinnen von Informationen „hinter den feindlichen Linien“, von Kampftruppen temporär unterstützt werden müssen. Dabei schlägt die Kampftruppe eine Bresche in die feindliche Sicherungslinie, durch welche die Spähtrupps dann weiter in das feindliche Gebiet eindringen. Diesen Vorgang galt es in der Spähaufklärungswoche auszubilden und zu üben.

Der Auftrag beginnt

Am Abend wird es dann ernst für die übende Truppe. Mit dem Kompaniebefehl beginnt die freilaufende Übung im Raum Ostholstein. Gerade für Aufklärer ist es dabei wichtig, weite Distanzen für ihre Ausbildung nutzen zu können, da sie auch im scharfen Einsatz weit hinter feindlichen Linien operieren müssen.
Nachdem die Spähtruppführer in der Nacht im Verfügungsraum ihren Auftrag ausgeplant haben, geht es mit den ersten Sonnenstrahlen los. Die Spähtrupps melden sich bei der eigenen Stellungstruppe ab und befinden sich nun in Feindgebiet. Ihr Ziel ist es, unerkannt ihr Beobachtungsversteck zu erreichen, um dort Aufklärungsergebnisse zu sammeln. Das können beispielsweise gegnerische Truppenbewegungen auf einer Straße oder die Standorte feindlicher Artillerie sein.
Doch schnell merken die Spähtrupps: An der gegnerischen Sicherungslinie ist kein Durchkommen. Jetzt gilt es, das gestern Gelernte umzusetzen. Es ergeht der Befehl an die Panzergrenadiere, eine Lücke in die feindliche Verteidigung zu reißen. Der Angriff gelingt, die Spähtrupps stoßen durch die Bresche und setzen ihren Auftrag fort, anschließend weichen die Marder aus. Die Aufklärer sind nun wieder auf sich gestellt.

Hinter feindlichen Linien

Jetzt beginnt das Grundhandwerk der Späher: Unerkannt und möglichst schnell durch feindliches Gebiet. Die Trupps wollen rechtzeitig ihre Ziele erreichen, denn sie klären einem Gegenangriff der eigenen Brigade voraus auf. Damit dieser gelingen kann, müssen die Aufklärer Informationen liefern. Während ihrer Fahrt durch die Landschaft Ostholsteins begegnen den Aufklärern immer wieder gegnerische Fahrzeuge oder Stellungen. Diese müssen gemeldet und unerkannt umgangen werden. Endlich ist es soweit, in der Abenddämmerung erreichen die ersten Spähtrupps ihre Aufklärungsziele. Doch an Ausruhen ist nicht zu denken. Um unentdeckt zu bleiben, müssen die Fahrzeuge getarnt und die Spuren verwischt werden. Die leichten Späher sitzen ab und nähern sich ihrem Ziel noch einige Kilometer zu Fuß. Sie sind dadurch in der Lage, noch unauffälliger in besonders schwierigem Gelände aufzuklären.

Aufklärung aus einer Hand

Während die Späher in ihren Verstecken weit jenseits der eigenen Reihen liegen, klären auch die anderen Fähigkeiten der Aufklärer intensiv auf. So operiert die unbemannte abbildende Aufklärung mit ihren Systemen LUNA und KZO ebenfalls weit in feindlichem Gebiet aus der Luft auf. Während besonders heikler Phasen, etwa dem Durchstoßen der feindlichen Sicherung durch die Spähtrupps, können die Systeme aus der Luft das Vorgehen überwachen und die „boots on the ground“ so vor unliebsamen Überraschungen bewahren. Nur der Verbund aller Sensoren gewährleistet dabei den Erfolg der Heeresaufklärungstruppe.
Dazu gehören auch die Radarkräfte. Diese haben sich an der Ostseeküste positioniert, um die eigene Flanke zu überwachen. Dabei klären sie in der Nacht zum Donnerstag starke See -und Luftziele auf. Der Gefechtsstand erkennt: Eine amphibische Anlandung des Feindes, um die eigenen Truppen in die Zange zu nehmen!

Ab nach Hause

Der geplante Gegenangriff kann so nicht durchgeführt werden. Für die Spähtrupps bedeutet das: Zurück zur eigenen Truppe. Donnerstagmorgen, nach zwei Tagen im Auftrag, müssen sie nun erneut durch Feindesland, diesmal in die andere Richtung. Haben sie das geschafft, wartet noch ein heikler Moment.
Bei der Aufnahme der Spähtrupps durch die eigene Stellungstruppe muss alles gut koordiniert und abgesprochen sein. Denn die Aufklärer kommen aus der Richtung, aus der sonst nur der Feind kommen kann. Mit Erkennungszeichen und in enger Abstimmung mit der Stellungstruppe stellen die Späher dann sicher, unbeschadet in die eigenen Reihen zurückzukehren.

Endspurt

Bevor die Späher ihre ersehnte Dusche nehmen können, gilt es noch eine weitere Herausforderung zu meistern. Jeweils ein Spähtrupp aus jedem Bataillon tritt in einem Hindernisparcours gegeneinander an.
Neben einem Gewässerhindernis und Verwundetentransport des „Reitergeistes“ geht es vor allem um den sogenannten „militärischen Erkennungsdienst“ bei dem die Soldaten ihre Kenntnis über gegnerische und eigene Waffensysteme beweisen müssen. Eine Kernfähigkeit der Aufklärer. In einem knappen Finale setzt sich das Team aus Ahlen letztendlich durch und nimmt den Wanderpokal mit nach Nordrhein-Westfalen.

Abschluss am Meer

Seinen Abschluss findet die Spähaufklärungswoche 2021 vor der beeindruckenden Kulisse der Ostsee am Strand. Bei einem kleinen Abschlussantreten lassen der Kommandeur des Aufklärungsbataillons 6 „Holstein“, Oberstleutnant Tobias Aust sowie der Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“, Oberst Christian Nawrat die letzten Tage noch einmal Revue passieren.
Die Verbände haben zusammen geübt, Standards übereinandergelegt, viel von – und miteinander gelernt. Zuletzt übergibt der General der Heeresaufklärungstruppe, Oberst Ralph Malzahn, den Wimpel der Ausbildungswoche an das Aufklärungslehrbataillon 3 aus Lüneburg, welches im kommenden Jahr die nächste Ausbildungswoche, dann hoffentlich wieder mit allen Aufklärungsbataillonen und selbstständigen Einheiten, ausrichten wird.