Das Knicklicht spendet etwas Licht. Die Finsternis ringsum erscheint dagegen wie eine schwarze Wand. Kein Mond, keine Sterne. Langsam wird das Knicklicht immer kleiner bis die Dunkelheit es irgendwann vollständig verschluckt. Fahnenjunker v. Wacknitz schlägt sich schwer bepackt und bewaffnet durch die Nacht zum nächsten Punkt. Hält die eilig gezeichnete Skizze was sie verspricht? Stimmte die Karte mit dem Gelände überein oder sind hier und dort noch weitere eingestrichene Wege dazugekommen?

Fortwährend stellten sich die zwölf Offizieranwärter in der Zeit vom 2. Juli bis 21. September herausfordernden Aufgaben. Dies begann bereits mit der Einweisung durch den Bataillonskommandeur. Oberstleutnant Aust ließ den Unterrichtsraum links liegen und führte die neuen Offizieranwärter direkt über die Waldkampfbahn. In der „Bärengrube“ angekommen vermittelte er ihnen sein Bild eines Offiziers. Körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, preußische Tugenden, Vorbild und Initiative waren hier die Schlagworte, denn nicht ohne Grund tragen seine Soldaten den Beinamen „Holsteiner Husaren“. Mit Abschluss der kleinen Offizierweiterbildung fuhren die Spähwagen aus ihrer gedeckten Aufstellung vor. Nach dem Aufsitzen wurden sie über den Übungsplatz wieder in die Rettberg-Kaserne verbracht. Dies hinterließ einen bleibenden Eindruck.

 

Dem Thema folgend schlossen sich die Besuche von
Generalleutnant a. D. Budde und dem stellvertretenden
Generalinspekteur Vizeadmiral Rühle an. Besonders der Vortrag von General Budde gewährte einen tiefen Einblick in die Gedanken eines sehr erfahrenen Offiziers und Generals.

 

Eine kurze Rast bot der Sommerurlaub. Nach zwei Wochen ritten die jungen Kameraden zur Truppengattungswoche nach Munster aus. An der Kavallerieschule lernten die Offizieranwärter die Truppengattung näher kennen. Und auch hier wurde, z. B. auf der Konstanzbahn, ihre körperliche Leistungsfähigkeit getestet.

 

Anschließend ging es nahtlos weiter mit dem Truppenübungsplatzaufenthalt im Gefechtsübungszentrum des Heeres. Eingesetzt als Sicherungszug übernahmen die Offizieranwärter die Absicherung des Gefechtsstandes. Stellungen ausheben, Alarmposten, Fahrzeugschleuse, Streife und Alarmübungen waren an der

Führernachwuchs in der Ausbildung - den Blick in die Zukunft gerichtet

Tagesordnung. Zusätzlich forderte das Schichtsystem seinen Tribut. Neben allgemeinmilitärischer Ausbildung erfuhren die Offizieranwärter am eigenen Leibe, was sie später von ihren Untergebenen verlangen werden.

Das Truppenkommando soll auch die geistige Leistungsfähigkeit schulen. Und so trugen zwei Offizieranwärter beim Casinogespräch der Offiziere zum Thema „Wesen des Krieges“ vor. Nach einer kurzen Vorstellung der beiden Werke „Vom Kriege“ von Clausewitz und „Die Kunst des Krieges“ von Sunzi folgte eine breite Diskussionsrunde. Was ist das unveränderliche Wesen des Krieges und was kann man als junger Führer für sich daraus ableiten? Diesem Thema stellten die Offizieranwärter ihre gemachten Erfahrungen des Truppenkommandos gegenüber. Für alle Teilnehmer des Casinogespräch war dies eine Bereicherung. Die jungen Kameraden profitierten von der Weitergabe der Erfahrungen der Offiziere und andersherum öffneten die Offizieranwärter ihre Gedankenwelt für die älteren Kameraden.

Am letzten Tag ihres Truppenkommandos fand der Appell zum 60-jährigen Bestehen des Aufklärungsbataillons “von” 6 statt. Die Offizieranwärter waren mittlerweile ein fester Bestandteil von 6 geworden. Ihnen kam die große Ehre zu, dem Ehrenzug angehören zu dürfen. Nach einer Woche auf dem Exerzierplatz marschierten die Offizieranwärter im Schlossgarten mit stolzer Brust auf. Sie gaben ein vorzügliches Bild ab, welches durch alle Anwesenden bezeugt werden kann. Selbst als beim Vorbeimarsch vor ihnen die Pferde durchgingen bewahrten sie Haltung und ließen sich erfolgreich von Oberleutnant Aust abnehmen.

Die Ausbildung zum Offizier ist dem Orientierungsmarsch nicht unähnlich. Zu Beginn stellt sich die Frage: „Habe ich den richtigen Weg eingeschlagen?“ Abschnitte mit Kartenausschnitt sind dabei klar und einfacher als Abschnitte mit Skizze. Und so gibt es auch im Truppenkommando immer mal wieder neue Abzweigungen,
die ausprobiert werden. Wie setze ich mich gegen die erfahrenen Mannschaftssoldaten durch? Wie halte ich einen Vortrag vor dem gesamten Offizierkorps? Es gilt Erfahrungen zu machen und daraus zu lernen. Was funktioniert – was funktioniert nicht? Nehme ich den Weg der dicht an meiner Marschkompasszahl liegt oder laufe ich schnurrgeradeaus, auch wenn das bedeutet durch den einen oder anderen Dornenbusch zu müssen? Und so gibt es viele Wege, die ans Ziel führen. Dabei ist der Auslaufpunkt immer klar: Der gestandene Offizier.

OL Stahlschmidt