Bei einer freilaufenden Übung trainierten im Februar 2020 die Soldaten des Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ die Landes- und Bündnisverteidigung. Die Bundesstraße 432 zwischen Scharbeutz und Gnissau im verregneten Ostholstein ist durch eine Minensperre unpassierbar geworden. Sie liegt mitten im Niemandsland zwischen den Sicherungslinien der sich bekämpfenden blauen und gelben Streitkräfte. Entlang dieser Linien erkennen vorsichtig eingesickerte Spähtrupps mehrere Türme feindlicher Schützen- panzer. All das ist Teil des freilaufenden Übungsszenarios für das Aufklärungsbataillon 6 „Holstein“ in Eutin.

Fennek
Fennek

Entlang eines Spähparcours namens „Holstein Ritt“ üben die Eutiner Aufklärer in Ostholstein die Landes- und Bündnisverteidigung. Aufgeteilt in blaue und gelbe Einheiten, treten die Soldaten gegeneinander an. Dabei nutzt das Aufklärungsbataillon 6 all seine zur Verfügung stehenden Fähigkeiten. Neben den Spähwagen Fennek und den Transportpanzern Fuchs mit den leichten Spähkräften, kommen auch die Feldnachrichtenkräfte, die Radaraufklärer und das Kleinfluggerät Zielortung, kurz Drohne KZO, zum Einsatz. Die 270 Eutiner Soldaten üben dabei über vier Tage und bestem norddeutschen Schmuddelwetter im freien Gelände in Ostholstein.


Größer als jeder Truppenübungsplatz: Ostholstein
Mit einer Ausdehnung von 30 km auf der Nord-Süd-Achse und von 15 km von Ost nach West ist der Übungsraum größer als jeder Truppenübungsplatz und bietet den Eutiner Aufklärern damit ganz andere Dimensionen und Möglichkeiten für die freilaufenden Übung.
„Solch große Distanzen zur Aufklärung sind auf einem Truppenübungsplatz nicht möglich“, so der Kommandeur der Aufklärer, Oberstleutnant Aust. „Das reale Gelände mit all den Ortschaften und Straßen, der Zivilbevölkerung und zahlreichen Unberechenbarkeiten, bietet einen zusätzlichen Ausbildungsmehrwert. Denn Übungsplätze sind für unsere Spähaufklärung weit in der Tiefe des Feindes meist zu klein und zu künstlich“. Das eher nicht alltägliche Bild von gepanzerten Fahrzeugen im freien Gelände ist für viele Zivilisten zunächst etwas überraschend, stellt jedoch kein Problem dar. „Wir erfahren sehr positiven Zuspruch für diese Übung. Das liegt daran, dass die Bundeswehr in Eutin und Ostholstein fest verankert und ein Teil des öffentlichen Lebens ist“, sagt Major Felix Lotzin, Chef der „Roten Zwoten“, der Projektkompanie für die Übung „Holstein Ritt“.


Großes Interesse an freilaufender Übung
Nicht nur bei der Ostholsteiner Bevölkerung ruft die freilaufende Übung großes Interesse hervor. Auch ein Kamerateam eines Privatsenders begleitete die Übungstruppe. Der Spähtruppführer, Oberleutnant Michael Zigelski, stand dabei auf den Reportern von seinem Spähwagen Fennek gerne für ein Interview zur Verfügung. Er führte das erste Mal einen Spähtrupp bei einer freilaufenden Übung: „Aufklärung in freiem Gelände ist schon eine Herausforderung. Wir versuchen jeden Tag besser zu werden, und die Spähaufklärung hier im freien Gelände bietet uns ganz andere Ausbildungsmöglichkeiten“, so Zigelski. Sein Spieß, Oberstabsfeldwebel Stephan Starck, begleitet den Oberleutnant als Schiedsrichter und bestätigt den großen Mehrwert einer freilaufenden Übung. Das Unvorhersehbare führe zu Fehlern und Herausforderungen und nur so können die Soldaten dazu lernen. Wie aufs Wort versperrt kurz darauf ein liegengebliebenes Fahrzeug mitten auf einem schmalen Waldweg die Aufklärungslinie. Die geplante Route ist dahin. Oberleutnant Zigelski befiehlt kurzentschlossen das Hindernis quer durch den Wald zu umgehen – die Kraftfahrer sind nun gefordert, und meistern das matschige und schwierige Gelände.

 

Ausbildungslager auf dem Butterberg
Auf einem ganz anderen Ausbildungsstand befinden sich die Soldaten auf dem Butterberg westlich von Eutin.
In einem weitläufigen Waldstück findet die sogenannte Spezialgrundausbildung statt. In dieser Ausbildung lernen die neu zuversetzten Soldaten, den Umgang mit weiteren Handwaffen wie dem Maschinengewehr MG 3, der Pistole P8 oder der Panzerfaust. Auch das Leben im Felde, der Gefechtsdienst sowie die Ausbildung als Spähtrupp zu Fuß werden den 35 neuen Aufklärern in Eutin vermittelt. Schwer verdreckt und voller Matsch sitzen die Soldaten bei leichtem Regen nach der Ausbildung von Bewegungsarten im Gelände am Platz ihrer Gruppe und reinigen ihre Waffen. „Erst die Waffe, dann die Ausrüstung, und erst dann kommt der Soldat“ erklärt Gefreiter Mehmet Günay, der die Grundsätze des Gefechtsdienstes bereits verinnerlicht hat und die notwendige feldmäßige Reinigung vor dem Mittagessen vornimmt. Es wartet jedoch nicht eine Therme aus der Truppenküche auf ihn, sondern die neben ihm liegenden Einmannpackung – bevor es also ein warmes Essen gibt, muss zunächst wieder ein Feuer entfacht werden. Leben im Feld und unter erschwerten Bedingungen nennt man das beim Militär. „Irgendwo da draußen ist vielleicht schon ein Fennek und versucht uns aufzuklären – ein komisches Gefühl“ so Günay. „Aber dafür haben wir ja unsere Alarmposten eingesetzt und Stellungen gebaut“, sagt der junge Gefreite zuversichtlich und widmet sich wieder der Reinigung seiner Waffe.


H Simon